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01.08.2025, Lokalredaktion
Trotz Kastrationspflicht steigt die Zahl streunender Katzen im Landkreis rasant. Die Tierschutzorganisationen sind längst an ihrem Limit angekommen.
„So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie“, sagt Heidi Huth-Hinrichs. „Ich weiß manchmal gar nicht mehr, wie es überhaupt noch weitergehen soll.“ Die Vorsitzende des Vereins Tiersuchdienst Wesermarsch schüttelt ärgerlich den Kopf. Nahezu täglich erreichen sie und andere Tierschützer im Landkreis Anrufe wegen herumstreunender Katzen. Darunter sind unzählige Kitten und wilde Jungkatzen, die noch nicht kastriert sind und mit großer Wahrscheinlichkeit bald selbst trächtig sein werden. Katzen werden in der Regel im Alter von sechs und neun Monaten geschlechtsreif- manchmal sogar noch früher. Sie können pro Jahr bis zu fünf Würfe mit circa vier bis sechs Kätzchen großziehen. Diese sorgen dann nach einem halben Jahr wieder für ungeplanten Nachwuchs
.Die Katzenschwemme, durch die starke Zunahme an freilaufenden Katzen und ihrer unkontrollierten Vermehrung, führt überall in Deutschland zu überfüllten Tierheimen. Auch Oldenburg, Delmenhorst und Bergedorf haben wegen Überlastung schon ein Aufnahmestopp verhängt. Das Kontingent an Pflegestellen in der Region ist ebenso erschöpft. Die ehrenamtlichen Tierschutzorganisationen sind am Limit. Zwar gibt es immer wieder geförderte Kastrationsaktionen, aber diese reichen bei weitem nicht aus, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Erschwerte Vermittlungschancen
Die Aufzucht von extrem jungen Kitten ist nahezu ein 24 Stunden-Job. Erschwerend kommt hinzu, dass nach der Coronazeit mit den vielen unüberlegt angeschafften Tieren, gerade jetzt zur Ferienzeit, im Sommer ohnehin vermehrt Vierbeiner wegen geplanter Urlaubsreisen ausgesetzt werden. Fakt ist ebenso, dass sich verwilderte Katzen schwer vermitteln lassen. Je länger die Tiere in freier Wildbahn unterwegs waren, desto schwieriger und zeitintensiver wird es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Handzahme Tiere, die sich gerne streicheln lassen, haben in den Tierheimen natürlich viel höhere Vermittlungschancen. Aber den ehrenamtlichen Helfern aus dem Tierschutz fehlt einfach die Zeit, um sich ausgiebig um jedes einzelne Katzenkind zu kümmern und mit ihm zu arbeiten. Darüber hinaus sind viele der aufgelesenen Tiere krank und zum Teil durch Inzucht missgebildet.
Bußgelder bis zu 5000 Euro möglich
Vor diesem Hintergrund fordern nicht nur Heidi Huth-Hinrichs und ihr Team von den Behörden endlich eine konsequente Einhaltung und Überwachung der Kastrationsverordnung. Denn für alle Freigänger-Katzen. ab fünf Monaten, ist in der Wesermarsch eine Kastrationspflicht vorgeschrieben. Sollten die Halterinnen und Halter von unkastrierten Fundtieren bekannt sein, müsste direkt ein saftiges Bußgeld verhängt werden. „Es hält sich wirklich kaum jemand an die gesetzlichen Vorgaben, vor allem auf den Bauernhöfen. Aber sobald die ersten Leute ordentlich zur Kasse gebeten werden, ich rede hier von Beträgen in Höhe von mehreren tausend Euro, dürfte das Wirkung zeigen“, sagt Heidi Huth-Hinrichs, die sich angesichts der zugespitzten Lage ebenso für eine Kastrationspflicht von Wohnungskatzen ausspricht, um die unkontrollierte Katzenvermehrung zu stoppen.
Der Nordenhamerin ist bewusst, dass die Haltung von Haustieren heute ein Luxus geworden ist, der bezahlt werden will. Auch die Kastration von Katzen ist nach der längst überfälligen Anpassung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) vor knapp drei Jahren deutlich teurer geworden. Bei einem weiblichen Tier fallen in der Regel Kosten in Höhe von 150 bis 200 Euro an, bei einem Kater, bei dem die Bauchdecke ja nicht geöffnet werden muss, sind es etwa 100 bis 150 Euro.
Übrigens: Die Vorstellung, dass es besser ist, Katzen erst nach ihrer ersten Rolligkeit kastrieren zu lassen oder ihnen mindestens wenigstens einmal Mutterfreuden zu vergönnen, ist wissenschaftlichen längst widerlegt.
Aktuellen Schätzungen zufolge gab es allein in Niedersachsen im vergangenen Jahr mehr als 200.000 Katzen ohne menschliche Betreuung. Bundesweit sollen es nach Schätzung des Landestierschutzverbands sogar mindestens zwei Millionen Straßenkatzen gewesen sein. Das Gros der Tiere war unterernährt und krank. Viele litten an Parasiten und Infektionskrankheiten wie Katzenschnupfen und Katzen-Aids, was auch für Freigänger-Hauskatzen gefährlich sein kann, wenn diese nicht geimpft sind. Nicht nur hier in der Wesermarsch stieg die Anzahl toter Fundtiere in den vergangenen Monaten und Wochen auffallend.
Auch wenn es noch so gut gemeint ist: Es bringt nichts, Streuner anzufüttern. Im Gegenteil: Wer die Tiere versorgt, gilt als Halterin oder Halter und ist damit gesetzlich zur Kastration verpflichtet. Sinnvoll und richtig ist es vielmehr, zeitnah die Behörden – das zuständige Ordnungsamt – einzuschalten, um die bestehende Katzenschwemme nicht noch mehr ausufern zu lassen. (Foto und Text: Ulrike Krebs)