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27.10.2025, Lokalredaktion
Wie hat der junge Jude Levi Israel Ufferfilge sein Leben in Deutschland erlebt? Was hat ihn geprägt? Und was macht er heute? Der Autor wurde 1988 im nordwestfälischen Minden geboren. „Damals war das Jüdische kaum vorhanden, ob in der Provinz oder Metropole“, sagt er. Die jüdische Gemeinde war weit weg und so kam er höchstens einmal im Monat zu einem Gottesdienst. Das Judentum fand im Stillen statt. Das lag vor allem an den Erfahrungen, die seine Vorfahren gemacht haben, die Vorsicht gegenüber allen anderen Menschen nicht-jüdischer Umgebung walten ließen.
„Es war ja nicht so, dass der Nationalsozialismus nach 1945 einfach zuende war, sondern nur durch das Wegsterben, hat meine Oma immer gesagt.“ Von der Nachkriegszeit bis weit in die 60er Jahren waren Menschen jüdischen Glaubens immer wieder Terror ausgesetzt. Die in dieser Zeit wieder aufgebauten Synagogen waren oftmals „Hinterhofsynagogen“, deren man ihre Bestimmung nicht ansah. Auch im Innern sahen sie meist nicht mehr so aus, wie zuvor. Die jüdischen Gemeinden hatten versucht, so lange wie möglich, unentdeckt zu sein.
„Für mich zeigte dann vor allem das amerikanische Fernsehen eine vielfältige jüdische Welt. Es kam nahezu in jeder Fernsehserie und sogar Comics vor“, erinnert er. Später, als Teenager, versuchte Levi Israel Ufferfilge sich frei zu machen, offen zu sprechen und sich auch Unterstützung bei Institutionen zu holen. Doch noch bis heute erlebt der Autor immer wieder Anfeindungen und hat Begegnungen mit Menschen, die ihn nicht gleich wieder loslassen.
Sein Buch „Nicht ohne meine Kippa!“ entstand aus Tagebuchaufzeichnungen aus seinen besten und schlechtesten Erlebnissen über mehrere Jahre hinweg. Und einige dieser Erlebnisse las er an diesem Vormittag vor. Die Zuhörer reagierten betroffen, teilweise auch schockiert, angesichts der menschenverachtenden Äußerungen und Handlungen dem Autor gegenüber. Dennoch gab es immer wieder auch schöne oder humorvolle Erlebnisse, die schließlich Einzug in das Buch gefunden haben.
Das Projekt „Lebenswelten Wesermarsch“
Im Rahmen des Projekts „Lebenswelten Wesermarsch“ wurde im Schiffahrtsmuseum Unterweser – Haus Elsfleth am Sonntag zu einem besonderen Vormittag eingeladen, der dem Zuhören, dem Nachdenken und dem gemeinsamen Austausch gewidmet war. Im Mittelpunkt steht die Lesung des Rabbi Levi Israel Ufferfilge, der eindrucksvoll von seinem jüdischen Leben, von Identität, Sichtbarkeit und Mut erzählt – und davon, was es bedeutet, als jüdischer Mensch Teil unserer Gesellschaft zu sein. Seine Worte berühren, regen zum Nachdenken an und eröffnen neue Perspektiven. Dabei las er auch Passagen aus seinem Buch „Nicht ohne meine Kippa!“.
Gerade in einer Zeit, in der globale Entwicklungen – etwa in der Ukraine oder im Nahen Osten – auch das gesellschaftliches Miteinander beeinflussen, ist es umso wichtiger, Räume für Begegnung und Dialog zu schaffen, betonte Susanne Kümper, Projektleiterin von „Lebenswelten Wesermarsch“. Die Veranstaltung soll exemplarisch für das Anliegen des Projekts stehen: über Grenzen hinweg zu denken, zuzuhören, sich auszutauschen und gemeinsam Brücken zu bauen.
Sie führte aus, dass Familienrabbiner Levi Israel Ufferfilge, der seit November 2024 die jüdische Gemeinde in Oldenburg und der Region betreut, ein leuchtendes Beispiel für gelebtes Engagement sei. Sein Einsatz reicht weit über die Gemeinde hinaus – er engagiert sich in Schulen, im öffentlichen Diskurs und nun auch als Protagonist im Projekt „Lebenswelten“. Ein filmisches Porträt über ihn ist bereits in Planung.
Das Haus Elsfleth dokumentiert herausragende Namen der Schifffahrtsbranche
Dr. Christine Keitsch, Leiterin des Schiffahrtsmuseums Unterweser wies darauf hin, dass in der Dauerausstellung im Haus Elsfleth die historische Bedeutung jüdischer Wirtschaftskraft dokumentiert wird, insbesondere im maritimen Sektor, der in der Region einst eine herausragende Rolle spielte. Die Wesermarsch im Jahr 1875 der drittgrößte Reedereistandort im damaligen Deutschen Reich – nach Hamburg und Bremen.
Zudem gibt es herausragende Namen in der Schifffahrtsbranche und dem Haus Elsfleth wie beispielsweise Adolf Schiff (1835–1914), Reeder, Landtagsabgeordneter und Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte bedeutender Schifffahrtsunternehmen, prägte die maritime Wirtschaft der Region und des gesamten Reiches maßgeblich. Er war zudem Mitinitiator der heutigen See-Berufsgenossenschaft. Die Familie Schiff war eng mit dem Erbauer unseres Hauses, dem Medizinalrat Dr. Christian Ludwig Steenken, verbunden. Ein sichtbares Zeichen dieser Verbundenheit ist der Davidstern im Oberlicht des Treppenhauses – seit 1891 Teil der Architektur und Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung. (Foto und Text: Kerstin Seeland)