Sie können uns unterstützen

15.09.2025, Lokalredaktion
Der Betriebsrat von Glencore hat für Dienstag, 16. September 2025, 10.30 Uhr eine Demonstration am Werkstor für den Erhalt der Klimaschutzverträge, gegen Stellenabbau und die Einhaltung der betrieblichen Mitbestimmung organisiert.
Hintergrund:
Glencore Nordenham ist einer der letzten großen Hüttenstandorte in Deutschland. Die Nordenham Metall GmbH und die Nordenhamer Zinkhütte GmbH sind unter dem Dach von Glencore Nordenham vereint. Der Standort zählt zu den bekanntesten und traditionsreichsten Industrieunternehmen der Region. Seit über 100 Jahren werden in Nordenham Blei und Zink produziert.
Schlüsselkennzahlen
- Über 170.000 Tonnen Zink und Zinklegierungen pro Jahr
- Über 95.000 Tonnen Blei
- Über 300.000 Tonnen Schwefelsäure
- Über 800 Mitarbeitende insgesamt
Seit Jahren ist der Standort stark gefährdet durch internationale Konkurrenz, hohe Energiepreise und klimapolitische Vorgaben.
Krise und Umstrukturierungen (2010–2025) Volatile Metallpreise, steigende Energiekosten und strengere Umweltauflagen sorgten für Schwierigkeiten. Diskussionen über Stilllegungen, Umstrukturierungen und Sozialpläne setzten dem Standort immer wieder zu. Die Bleihütte arbeitete zunehmend mit Recyclingströmen (u. a. Batterien). Die letzten Jahre waren durch Krisen geprägt. Diskussionen über Schließung oder Transformation (z. B. durch Klimaschutzverträge, Recyclingmodelle, staatliche Hilfen, polymetallurgische Neu-Orientierung). Seit August 2021 ist der Standort mit beiden Werken Teil des Glencore Konzerns.
Bedeutung von Glencore Nordenham
- Einer der größten industriellen Arbeitgeber in Nordenham und Umgebung.
- Industriekulturelles Erbe – über 100 Jahre Hüttentradition.
- Strategischer Standort: Schnittstelle zwischen globalen Rohstoffmärkten (Glencore) und europäischer Industrie (Automobil, Bau, Chemie).
- Ein Symbol für die Herausforderungen der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland (hohe Energiepreise, Klimaschutzauflagen, internationale Konkurrenz).
Am 15. Oktober 2024 bekam die Bleihütte für die Transformation 360 Millionen Euro Klimaschutzverträge-Program (Carbon Contracts for Difference, CCfD) Die funktionieren im Kern so, dass der Staat die Mehrkosten zwischen der klimafreundlichen Produktion (im Fall von Nordenham mit Biokohle und Wasserstoff/BioMethan) und der herkömmlichen, billigeren Produktion (Petrokoks/Erdgas) ausgleicht.
Die Herausforderungen von Glencore Nordenham in den Klimaschutzverträgen
Die Bleihütte ist sehr energieintensiver Betrieb: Beim Bleischmelzen und Raffinieren entstehen hohe Energiekosten. Der Prozess ist noch stark an fossile Energiequellen gebunden (Ofentechnik, Hilfsstoffe). Weltweit gibt es günstigere Standorte (z. B. USA, Kanada, China) mit niedrigeren Energiepreisen oder laxeren Umweltauflagen. Gleichzeitig gibt es Imageprobleme und viele Auflagen für Blei. Das Metall gilt als „kritisch“, aber zugleich auch als „schmutzig“ (gesundheitlich & ökologisch belastet).
Bedeutung der Klimaschutzverträge für die Bleihütte
- „Grünes Blei“ sichert den Absatz bei großen Kunden: Das Unternehmen kann nachweisen, dass es Blei CO2-neutral produziert und hat Wettbewerbsvorteile in den Wertschöpfungsketten z. B. in der Automobilindustrie, die CO2-neutrale Fahrzeuge produziert
- Kostenkompensation: Klimaschutzverträge gleichen die Mehrkosten aus, die entstehen, wenn die Bleihütte auf klimafreundliche Technologien oder erneuerbaren Strom umstellt.
- Investitionssicherheit: Sie machen es möglich, dass Glencore überhaupt in Nordenham investiert – ohne Vertrag wäre ein „Business Case“ für Modernisierung nicht darstellbar. Gleichzeitig ist der Klimaschutzvertrag wie eine Staatsbürgschaft. Wer die hat, kann damit rechnen, auch weitere Kredite zu bekommen.
- Wettbewerbsfähigkeit: Mit Förderung kann die Hütte auch gegen Standorte in Ländern mit billigem Gas/Öl oder schwächerem Klimaschutz bestehen.
- Standortpolitik: Ohne Klimaschutzvertrag wäre die Bleihütte einer der ersten Kandidaten für eine Stilllegung innerhalb von Glencore – mit Vertrag hat sie eine Zukunft als „grüne Metallhütte“. Sie ist bereits jetzt notleidend.
Überlebensnotwendigkeit: Warum geht es nicht ohne Klimaschutzvertrag?
- Kunden springen ab, weil Blei aus Nordenham nicht CO2-neutral ist
- Weiter steigende Energiekosten + CO₂-Preis → Betrieb dauerhaft defizitär.
- Marode Anlagen sind nicht leistungsfähig Schließung oder Verkauf an Glücksritter (Heuschrecken, die noch das letzte raussaugen wollen, sind als Fortführer des Standorts wahrscheinlich.
- Der Standort muss geschlossen werden, weil die Kunden in der Zulieferkette der Automobilindustrie, zum Beispiel Clarios nur CO2 neutrales Blei kaufen wird.
Mit Klimaschutzvertrag:
- Staat trägt Mehrkosten für grünen Betrieb.
- Investitionen in neue Technik werden wirtschaftlich machbar.
- Die Anlage, jedes Rohr, jeder Kessel wird erneuert. Die Anlagen werden vergrößert und leistungsfähiger. Ein höherer Durchsatz ist möglich. Die Produktionseffizienz steigt.
- Standort kann überleben und sich als „grüne Bleihütte Europas“ positionieren.
- Die Klimaschutzveträge sind wie eine Staatsbürgschaft. Die hohen Vorabinvestitionen (ca .180 Mio) könnten mit Hilfe Dritter vorfinanziert werden. Glencore könnte als Alleinfinanzierer der Hütte entlastet werden
Weitere Argumente für den Erhalt und Umbau der Hütte mit den Klimaschutzverträgen
Lieferketten und Verbraucher
Großabnehmer wie Automobilhersteller (VW, Mercedes, BMW) fordern von Zulieferern CO₂-neutrale Materialien (z. B. grüner Stahl, grünes Blei in Batterien, CO₂-freies Zink). Kunden verlangen immer häufiger „grüne Zertifikate“ (Product Carbon Footprint, EPDs). Endkonsumenten achten stärker auf Klimafreundlichkeit. Das Markenimage der Produkte hängt am CO₂-Fußabdruck.
Wirtschaftlicher Druck
Die klassische CO₂-intensive Produktion wird durch steigende CO₂-Preise (EU-ETS) dauerhaft teurer. Wichtige Investoren (z. B. Beteiligungsunternehmen, ESG-Fonds) geben Kapital fast nur noch an Unternehmen mit klarer Klimastrategie. Hier hat es Glencore als weltweit größter Kohleexporteur besonders schwer. Finanzierende Banken und Versicherer preisen Klimarisiken ein. Die Finanzierung CO₂-intensiver Anlagen wird schwieriger.
Resilienz
Zink und Blei – und das Recycling-Produkt Antimon (Flame Retardent) sind wichtige Güter für die Wehr-Industrie. Deutschland wäre bei einem Ausbluten der Standorts Nordenham durch Glencore nicht mehr resilient in diesen Bereichen.
Wirtschaft in Niedersachsen und Wesermarsch
Zusätzlich ist die Bleihütte überlebenswichtig für die Autobatterie-Produktion von Clarios in Hannover. Der Löwenanteil der Produktion geht pro Jahr mit der Bahn nach Hannover.
Die Hütten haben ein jährliches Einkaufsvolumen von 140 Millionen. Davon gehen 67 Millionen in die Wesermarsch und 34 Millionen in die Stadt Nordenham. Das würde die Stadt und ihre Wirtschaft vor erhebliche Probleme stellen.
Ohne Klimaschutzverträge gibt’s keine weiteren Subventionen
Es sind weitere Subventionsvorhaben in Planung. Das Unternehmen bemüht sich gerade um Produktionssubventionen für Antimon und hat sich um Infrastruktursubventionen für die Pier bemüht, dafür stehen die Chancen gut. Wenn die Klimaschutzverträge weg sind, dann wird man nur wenig Glaubwürdigkeit für weitere Subventionsbewerbungen haben. Wer sollte einem Unternehmen Geld geben, das es nicht in Anspruch nimmt, wenn es gerade nicht passt.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Förderbescheide sind nicht verhandelbar. Die Argumentation des Konzerns, man müsse ein Update machen und Vorauszahlungen beantragen, ist absurd. Das Wettbewerbsrecht lässt Sonderbehandlungen nicht zu. Ende Oktober sind die nächsten Konsultationen mit der Regierung. Da müssen Vorentscheidungen getroffen werden. Es laufen Fristen.
Weitere Vergünstigungen, die Glencore in Deutschland erhält:
Das Super-Cap beim Strom
Stromintensive Betriebe zahlen in Deutschland nicht den vollen EEG-Umlage Abgabenanteil oder Netzentgelte wie normale Verbraucher. Damit soll verhindert werden, dass ihre Energiekosten im internationalen Vergleich zu hoch werden. Für besonders stromintensive Unternehmen gibt es eine Obergrenze („Cap“) für die Belastung durch Umlagen und Abgaben. Diese Obergrenze bemisst sich am Bruttowertschöpfungsanteil des Unternehmens. Im Fall von Glencore Nordenham gilt das Super-Cap, weil es in der beihilfefähige Branchenliste der EU steht. Ohne Super-Cap durch EEG-Umlage und Netzentgelte müsste Nordenham zweistellige Millionenbeträge zahlen. Mit Super-Cap wird die Belastung auf wenige Millionen begrenzt. Das ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Super-Cap ist de facto ein Industrieprivileg, das die Stromkosten drastisch reduziert. Ohne diese Regelung wären viele Grundstoffindustrien in Deutschland (z. B. Glencore Nordenham, Trimet, Aurubis) nicht konkurrenzfähig. Politisch ist die Regelung umstritten: Kritiker sehen darin eine versteckte Subvention, Befürworter eine Notwendigkeit für Standorterhalt und Arbeitsplätze. Bei Glencore macht diese Subvention ca. 200 Millionen Euro in fünf Jahren aus. Das Super-Cap gilt bis 2031.
Glencore erhält erhebliche Steuererleichterungen in Deutschland
Glencore nutzt in Deutschland Steuervorteile über das „Tolling Modell“ und vermeidet damit Umsatzsteuern und Zollbelastungen. Da das Eigentum an den Rohstoffen beim Auftraggeber (Glencore Schweiz) bleibt, verkauft die Hütte kein Metall – sie erbringt nur eine Dienstleistung. Dieses Modell praktiziert Glencore weltweit. In vielen Ländern sind Dienstleistungen (z. B. Verarbeitung) umsatzsteuerlich günstiger oder von Importzöllen befreit, während beim Import von Metallen/Zwischenprodukten hohe Abgaben anfallen können. Gleichzeitig kann das Unternehmen Gewinnsteuern vermeiden. Die Hütte verdient nur an der Treatment Charge (Bearbeitungsgebühr). Die eigentliche Wertschöpfung (Metallpreis + Handels-Gewinn) wird dort besteuert, wo der Auftraggeber sitzt, also in der Schweiz, mit deutlich niedriger Unternehmenssteuer. Der Steuerbehörden prüfen Tolling-Modelle sehr genau (Stichwort: Verrechnungspreisprüfung). Es besteht Missbrauchsgefahr: Es erscheint leicht als ein „künstliches Modell“ zur Steuervermeidung, wenn keine echte Substanz hinter den Strukturen steckt. In der EU wird Tolling zunehmend restriktiv durch Anti-BEPS-Regeln (OECD) und neue Transparenzpflichten gehandhabt. Es ist steuerlich heikel und wird von Finanzbehörden (insb. in Deutschland) streng geprüft. Für Glencore ist es ein hohes Risiko, wenn der Finanzminister ein niedersächsischer Sozialdemokrat ist, staatliche Vereinbarungen nicht einzuhalten. Die Richtlinien für die Besteuerungen liegen in seinem Verantwortungsbereich. Mit dem Ausstieg aus den Klimaschutzverträgen kann so leicht ein negativer Domino-Effekt für Steuererleichterungen und Subventionen entstehen, weil man das Vertrauen und die Akzeptanz der Politik aufs Spiel setzt.
Der geplante Stellenabbau – Verstöße gegen Mitbestimmung
Trotz Subventionen und Steuererleichterungen. Das Unternehmen plant einen Stellenabbau von mindestens 10%, weil an allen Standorten in der Welt 10 bis 15% der Kosten eingespart werden sollen. Gary Nagle, der CEO von Glencore die Gary Nagle, der CEO von Glencore, kündigte das KostenSparprogramm offiziell im Rahmen des Halbjahresberichts 2025 an – genauer gesagt am 6. August 2025. Ziel sind wiederkehrende Kosteneinsparungen in Höhe von ca. 1 Milliarde USD Die Einsparungen sollen bis Ende 2026 realisiert werden. Mehr als die Hälfte der Einsparungen werden schon bis Ende 2025 erwartet. Alle Standorte sollen ihren Beitrag leisten. Es sollen 80 Stellen bei Glencore Nordenham wegfallen. Die Sparpläne wurden weder in der Mitbestimmung diskutiert oder adressiert. Dem Betriebsrat wurden keine Details oder konkreten Pläne übermittelt, dabei ist selbst ein Freiwilligenprogramm Mitbestimmungspflichtig. Glencore selbst hat noch keine Mitteilung oder ein Statement getätigt. Offensichtlich sind die Mitbestimmungspflichten des Betriebsrats bereits verletzte. Es gibt starke Indizien, dass ein Stellenabbau zumindest in Planung werden bzw. bereits Teil interner Überlegungen oder Vorbereitungen ist. Dies hätte dem Betriebsrat längst mitgeteilt werden müssen.
Kooperation mit Land Niedersachsen und Landkreis Wesermarsch für Beschäftigungssicherung und Umweltschutz
Hat der „Pakt für Umwelt und Beschäftigung“ Bestand?
Im August 2021 sind sich das Land Niedersachsen, der Landkreis Wesermarsch und der Investor Glencore über die Zukunft der insolventen Weser-Metall geworden. Hier hat sich Glencore verpflichtet, „die Arbeitsplätze zu erhalten, in den Betrieb zu investieren und ihn damit zukunftssicher zu machen!“ Glencore hat sich dabei zur Mitbestimmung und Flächentarifvertrag bekannt und sich verpflichtet, in Nordenham einen zweistelligen Millionenbetrag in den Umbau der ehemaligen Bleihütte zu einem modernen Metall-Unternehmen zu investieren. Die neue Gesellschaft unter dem Dach von Glencore wird auch dafür sorgen, dass die Kosten für die Unterhaltung der stillgelegten Jarositdeponien Rahden und Galing I wie bisher nicht der öffentlichen Hand zur Last fallen.
Glencore sicherte im Rahmen der Kooperation ebenfalls zu, alle Arbeitsplätze am Standort Nordenham für mindestens drei Jahre zu erhalten.
Ausgleichszahlungen für Landwirte
Die Ausgleichszahlungen, die in der Vergangenheit für Nutzungseinschränkungen gewährt wurden, werden fortgesetzt werden. Glencore wird mit den Landwirten neue Vereinbarungen aushandeln, sodass im Vergleich zu den bisherigen Ausgleichszahlungen keine Nachteile entstehen. Die ersten Gespräche wurden bereits aufgenommen.
Die Einrichtung eines „Grünem Sanierungsfonds“, der von Glencore mit 10 Millionen Euro dotiert werden sollte, ist noch nicht abgeschlossen.
Auch über die geplanten Investitionen hinaus wollte Glencore Verantwortung für das Thema Umweltschutz in Nordenham. Zu diesem Zweck soll ein Fonds über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit einem festen Betrag von 10 Millionen Euro ausgestattet werden, aus dem die Sanierung etwaiger – künftig bekannt werdender – Belastungen aus dem bisherigen Betrieb der Bleihütte finanziert werden kann, die aus einer Zeit vor der Übernahme durch Glencore stammen. Mit diesem „Grünen Sanierungsfonds“ unterstützt Glencore aus eigener Initiative und ohne rechtliche Verpflichtung die Beseitigung von Umweltlasten aus der Vergangenheit und schafft Zukunftssicherheit für den Standort. Mit regelmäßigen Emissionsmessungen soll der Zustand von Boden, Luft und Wasser in der Umgebung des Werkes soll permanent kontrolliert werden.
Neue Besitzverhältnisse
In der Politik wird darüber nachgedacht, dass so wichtige Roffstoffproduzenten Glencore Nordenham in deutsche Hände kommen. Das Unternehmen produziert da, wo es Kunden hat und es billig ist. Die Klimaschutzverträge sind eine gute Möglichkeit, die Eignerstruktur der Hütte zu ändern. Die Regierung könnte den Vorschlag machen, mit staatlicher eine Investorengruppe zu organisieren, die ein Kaufangebot abgibt. Größter Kunde der Zinkhütte ist übrigens Salzgitter, die größter Kunde im Zinkbereich sind. (pm/lr)